Dicke Eiche bei Niedereimer
Die Dicke Eiche bei Niedereimer hat im 19. Jahrhundert zu den dicksten Eichen Deutschlands gezählt. Sie stand im Sauerland, bei Niedereimer, einem Ortsteil von Arnsberg mitten im Wald. Die Eiche wurde 1843 von König Friedrich Wilhelm IV., in Begleitung des Prinzen und späteren Kaisers Wilhelm I. besichtigt. Nach anderen Angaben erfolgte der Besuch 1853. Die Eiche wurde vom König zur Erhaltung bestimmt. Beim Fällen der Eiche wurde dem Besitzer Landwirt Bienstein eine Strafe von 100 Thalern angedroht. Zudem musste er den Zugang zur Eiche über einen Fußweg gestatten. Die Eiche war ein beliebtes Ausflugsziel. 1918 hat sie zum letzten Mal grüne Blätter ausgetrieben und wurde 1923 von einem Feuer zerstört. Emil Schlieckmann gibt 1904 einen Brusthöhenumfang von 9 m an. Über die Eiche gibt es in der Literatur zahlreiche Hinweise.
Ort: | Niedereimer |
Gemeinde: | Arnsberg |
Landkreis: | Hochsauerlandkreis |
Bundesland: | Nordrhein-Westfalen |
Alter: | etwa 700 Jahre |
Brusthöhenumfang: | 9,00 m (Emil Schlieckmann, 1904) |
Abgestorben: | 1918 abgestorben, 1923 umgefallen. |
Im Jahr 1852 ist von Gerhard Löbker in Wanderungen durch Westfalen folgendes über die Eiche zu lesen: „Ein kleiner Abstecher auf dieser Straße wird gewiß keinen gereuen. Dort, wo der Handweißer nach Breitenbruch weißt, Straßenstein 10,77, wandern wir eine kurze Strecke auf dem Wege nach Breitenbruch bis zu dem Schlagbaume und gehen hinter demselben links ab an dem Bauernhause vorbei in den Wald hinein zu der großen Eiche, eine der ehrwürdigsten Zierden deutscher Wälder. Schon zur Zeit der Reformation hieß sie die dicke Eiche, mißt jezt 26 Fuß im Umfange, an der dicksten Stelle noch mehr, und theilt sich oben in zwei Äste, deren jeder noch einen mächtigen Eichbaum bilden würde. Durch Ankauf des Königs ist sie vor dem Fällen gesichert.“
Wilhelm Herchenbach schreibt 1862 in Für Stille Stunden sehr ausführlich über die Eiche: „Die große Eiche im Schürenholze bei Arnsberg. Große, wirklich große Eichen werden mit jedem Jahre seltener, und es verlohnt sich wohl der Mühe, einen Abstecher vom Wege zu machen, dort, wo am Schlagbaume der Strassenstein 10,77 steht und der Weg nach dem Dorfe Breitenbruch führt, braucht man kaum eine viertel Stunde in den Wald hineinzugehen, um ein prachtvolles Exemplar dieses deutschesten aller deutschen Bäume zu sehen. Aus dem niedrigen Unterholze erhebt sie sich wie ein gewaltiger Thurm und theilt sich oben in zwei Aeste, von denen jeder noch ein prächtiger Baum wäre, wenn er einzeln für sich im Walde stände. Ihr Wurzelwerk erhebt sich so hoch über den Boden, daß man bequem darauf sitzen kann; ihr Umfang beträgt nicht weniger als zweiundzwanzig Fuß, wie ich es selber ausgemessen habe. Die Rinde mit ihren breiten Rillen gleicht zerklüftetem Felsgestein und beherbergt eine ganze Welt von Insekten in ihren tiefgehenden Spalten. Wie alt der Baum eigentlich ist, weiß Niemand; ein Geschlecht nach dem anderen hat diese Eiche als einen prächtigen Baum gekannt, und zur Zeit der Reformation war sie schon wegen ihrer außerordentlichen Dicke berühmt und wurde nur mit dem Namen ‚die Dicke Eiche‘ belegt. Jetzt heißt sie allgemein Königseiche, weil der verstorbene König von Preußen sie dem Besitzer abkaufte, und, um sie vor dem Beile zu bewahren, mit zehn Morgen Wald bezahlte. Leider streckt sie ihre riesigen Aeste jetzt kahl und traurig in die Höhe, denn nur ein paar Zweige haben noch Leben, alle andern sind erstorben, und diese letzten Zeugen ihrer Herrlichkeit werden wohl auch bald zu Grunde gehen. Ein Bauer, der in der Nähe wohnt und sie von Jugend auf gekannt hat, versicherte mir, die wenigen Eicheln, welche sie noch Jahr um Jahr trage, seien reichlich so groß wie eine Wallnuß. Unwillkürlich duchschauert einen ein trauriges Gefühl, wenn man sieht, wie das Leben dieses Waldriesen allmälig erstirbt und an die Stelle der großartigen Kraft der Tod tritt. Wie viel möchte dieser alte Stamm wohl erzählen können, wenn er ein Mensch wäre, welcher so viele wechselvollen Zeiten erlebt? Ehe der Grundstein zu dem Arnsberger Schlosse gelegt wurde, das nun längst zerbrach und nur noch in kümmerlichen Resten fortlebt, stand sie schon in Kraft und Fülle; vom Mittelalter bis in die Neuzeit, sah sie ein Geschlecht nach dem andern sterben, Städte endstehen und vergehen; zur Zeit, wo noch Jeder auf Schuster Rappen ritt, bis zum Zeitalter der Eisenbahn, trotzte sie kühn dem Sturme, hob sie keck ihr Haupt empor. Ob sie in diesem Jahre noch wieder grünen wird?
Seine Majestät der König Fr. Wilhelm IV. beauftragte vor einigen Jahren den Landschaftsmaler Herrn Wilhelm Klein zu Düsseldorf die Eiche zu malen, und er entledigte sich dieses Auftrages auf eine sehr geschickte Weise. Wenn sie gefallen ist, wird dieses Bild noch Zeugnis von ihrer einstigen Größe geben!“
Einen weiteren Bericht über die Eiche gibt es aus dem Jahr 1898 in Zeitschrift für mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterricht: „Folgende noch nicht tausendjährige Eichen bieten ein besonderes Interesse. Die ‚Dicke Eiche‘ in der Nähe von Arnsberg in Westfalen genießt staatlichen Schutz; sie steht im Walde bei dem Dorfe Niedereimer und ist jetzt nur noch 20 m hoch; im vorigen Jahre habe ich ihren Umfang zu 9 m festgestellt; zwei sehr dicke Äste gehen in die Höhe, beide oben abgebrochen, Zweige mit Laub gehen davon aus; vor 30 Jahren war der Baum viel höher und durch den hoch emporragenden Gipfel der Krone stundenweit sichtbar; er trägt noch immer Früchte und ist ungefähr 820 Jahre alt. Am 13. Juli 1853 besuchte König Friedrich Wilhelm IV. in Begleitung seines Bruders, des nachmaligen Kaisers Wilhelm, diesen berühmten Baum. Den freundlichen Mitteilungen des jetzigen Eigentümers entnehme ich folgendes: Ursprünglich war der dortige Wald mit der Riesen-Eiche gemeinschaftliches Eigentum des Staates und verschiedener Grundbesitzer in Niedereimer; im Jahre 1836 kam eine Auseinandersetzung und Teilung zwischen den beiden Parteien zustande, wobei die Eiche mit dem sie umgebenden Wald in das Eigentum der anderen Partei überging; infolge dessen drang die königliche Regierung darauf, dass nachstehende Bestimmung in den Teilungsvertrag aufgenommen wurde: ‚Die am Himmelpfortner Wege stehende, ihres Alters und ihrer Grösse wegen merkwürdige Eiche darf bei Vermeidung einer Conventionalstrafe von 100 Thalern, welche an die Armen von Niedereimer zu zahlen und welche der Fiscus namens derselben einzuklagen berechtigt ist, weder gefällt noch beschädigt werden‘. Als im Jahre 1875 der Eigentümer der Eiche diselbe zum Verkauf öffentlich aussetzte, erhob die königliche Regierung Klage, da sie ein wohlerworbendes Recht auf Erhaltung dieses Baumes habe, und stellte den Antrag, da die vereinbarte Strafe von 100 Thalern sich als unwirksam erweise, dieselbe auf 1000 Thaler zu erhöhen. In dem Prozesverfahren entschied endlich das Obertribunal in Berlin dahin, dass, falls der Eigentümer die Eiche wirklich verkaufen oder fällen sollte, derselbe eine Zusatzstrafe von 500 Thaler zu zahlen habe. Letzteres Erkenntnis gilt nach 40 Jahren als verjährt, also im Jahre 1916.“
Literatur
- Jeroen Pater: Riesige Eichen: Baumpersönlichkeiten und ihre Geschichten. Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co, Stuttgart 2017, ISBN 978-3-440-15157-0, Seite 185.
- Emil Schlieckmann: Westfalens bemerkenswerte Bäume. Velhagen & Klasing, Bielefeld 1904, Seiten 9-10.
- Die Eiche. In: Zeitschrift für mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterricht, Band 29. Herausgegeben von Volkmar Hoffman, Druck und Verlag von B. G. Teubner, Leipzig 1898, Seiten 155-156. (pdf-Datei)
- Wilhelm Herchenbach: Für Stille Stunden: Ein Volksbuch für Alle, welche gerne erzählen hören. Druck und Verlag von Georg Joseph Wanz, Regensburg 1862, Seiten 93-94.
- Gerhard Löbker: Wanderungen durch Westfalen, Band 1. Druck und Verlag von Friedr. Regensberg, Münster 1852, Seiten 103-104.